Digitalisierung und Effizienzsteigerung: Ein Beispiel

Die Kantonspolizei St.Gallen muss sich im Bereich der Digitalisierung wahrlich nicht verstecken. Viele prestigeträchtige Projekte auf diesem Gebiet, teilweise mit schweizweiten Auswirkungen, haben in den Projekträumen der Kapo ihren Anfang genommen. Dennoch gibt es in dieser digitalen Transformation immer wieder neue Puzzleteile, die hinzugefügt werden müssen. Ein aktuelles Beispiel: das sogenannte Auftragsmanagement.

In den letzten Jahren wurden bei der Kantonspolizei St.Gallen viele Ressourcen, sowohl zeitliche wie auch finanzielle, für die Optimierung der Arbeitsprozesse und Arbeitsmittel investiert. Die Folge davon war eine beachtliche Effizienzsteigerung. Diese ist gerade zu Zeiten von Fachkräftemangel und äusserst knappen personellen Mitteln von elementarer Bedeutung.

Schritt um Schritt vorwärts in der Digitalisierung

Dennoch tauchen immer wieder neue Themenfelder auf, bei welchen noch keine Entwicklung digitaler Prozesse feststellbar ist. Der Dschungel an diversen Aufgabengebieten und historisch gewachsenen Prozessen ist innerhalb der Polizeilandschaft schier endlos. Es ist schlicht unmöglich jedes polizeiliche Handlungsfeld gleichzeitig zu digitalisieren. Wenn sich ein zusätzliches Digitalisierungsbedürfnis auftut, ist es entscheidend, dass durch innovatives Denken rasch pragmatische Lösungen gesucht und auch gefunden werden. Und manchmal muss es gar nicht das «Mega-Projekt» sein, um Erfolge zu erzielen.

Das Auftragsmanagement

Ein aktuelles Beispiel dafür ist das sogenannte Auftragsmanagement. Dieses beinhaltet das Verarbeiten von Aufträgen diverser Amtsstellen und Behörden zuhanden der Polizei. Das können beispielsweise Rechtshilfeersuchen, Zustellungen oder Begehren von Strassenverkehrsämtern, Untersuchungsämtern, Gemeinden oder weiteren inner- und ausserkantonaler Amtsstellen sein. Klassische Beispiele wären etwa Kontrollschildereinzüge, betreibungsamtliche Zustellungen, das Eintreiben von offenen Bussen oder Befragungen im Auftrag anderer Polizeikorps. Die Regionalpolizei mit ihren 22 Polizeistationen bearbeitet pro Jahr rund 20’000 solcher Aufträge, welche intern auch Requisiten genannt werden. Diese Aufträge wurden jeweils pro Polizeistation separat bewirtschaftet, das heisst es wurde je eine Requisitenkontrolle im Excel geführt. Das hatte zur Folge, dass Aufträge in der Regel nur intern in der Station bekannt waren. Sprich; alle anderen Polizeistationen und Abteilungen der Kantonspolizei hatten keinen Einblick in diese internen Listen der jeweiligen Polizeistationen. Das Problem war schon lange bekannt, aber die Ressourcen und Möglichkeiten, daran etwas zu ändern, waren schlicht noch nicht gegeben.

Mit der Einführung des neuen integrierten Polizeisystems «myAbi» bei der Kantonspolizei St.Gallen im Jahr 2019 hat sich die Ausgangslage geändert. Mit «myAbi» war nicht nur eine neue Software entstanden, sondern ein Philosophiewechsel in der Vorgangsbearbeitung wurde umgesetzt. Das mobile Arbeiten und die digitale Arbeitsweise wurden seither massiv vereinfacht und vorangetrieben. Diese Chance wollte Valentin Aggeler, der Hauptabteilungsleiter der Regionalpolizei, auf keinen Fall ungenutzt lassen. Schon lange war ihm die fehlende Effizienz und Transparenz des Auftragsmanagements ein Dorn im Auge. Sein Ziel: Das Auftragsmanagement im System «myAbi» integrieren. «Ich wusste, dass der richtige Zeitpunkt nun gekommen war, mit der Regionalpolizei die Initiative zu ergreifen und in einem möglichst schlanken und im myABI integrierten Projekt den weiteren digitalen Wandel voranzutreiben.», äusserte sich Aggeler im Nachhinein zu seinem Vorhaben. Ihm gelang es in der Folge, die verschiedenen Leistungsträger von der Sinnhaftigkeit des Vorhabens zu überzeugen. Er war überzeugt davon, dass eine ganzheitliche und digitale Bearbeitung in diesem Bereich möglich sein muss.

Fakten schaffen

Dies alles öffnete die Tür, um mit den hauseigenen «myAbi»-Konfiguratoren ein zusätzliches Modul im System einzubauen, welches das erwähnte Auftragsmanagement dort integriert. Ein entsprechendes Pilotprojekt wurde ab September 2022 in der Polizeiregion Bodensee-Rheintal in Angriff genommen. Schluss mit den internen Excel-Listen pro Polizeistation, hin zu einer gemeinsamen Aktivitäts-Übersicht im «myAbi» samt durchgehendem und eindeutigen Workflow, welcher für alle Mitarbeitenden der Kantonspolizei St.Gallen einsehbar und nutzbar ist. Schluss damit, die Briefpost anderer Amtsstellen ebenfalls in Papierform vom Kommando in St.Gallen an die Polizeistationen zu senden – und von dort notabene wieder zurück nach St.Gallen. Stattdessen soll fortan die interne Abwicklung dieser Aufträge in digitaler Form erfolgen. Hierbei gehen die Gedankenspiele von Valentin Aggeler jedoch noch weiter: «Mir schweben in der künftigen Zusammenarbeit mit anderen Amtsstellen Schnittstellen zum «myAbi» vor. Die Aufträge und Ersuchen sollen nicht erst bei der Kantonspolizei St.Gallen digital werden, sondern bereits digital bei uns ankommen.» An der Bereitschaft und Innovationskraft der Kantonspolizei St.Gallen wird es somit nicht fehlen, um zusammen mit anderen Amtsstellen gar den nächsten Schritt anzupeilen.

Bündelung der Kräfte

Am 1. Januar 2023 startete in der Polizeiregion Linthgebiet-Toggenburg ein weiteres interessantes Pilotprojekt im Zusammenhang mit dem Auftragsmanagement. Auch bei diesem ging es darum, die Mitarbeitenden der Polizeistationen bei der Auftragserledigung zu entlasten und speditive Abläufe zu realisieren. Der Ansatz bei diesem Versuch war aber ein anderer: Die angestrebte Effizienzsteigerung soll durch personelle Massnahmen erreicht werden. Es wurde in Uznach ein neues Team aus Mitarbeitenden zusammengestellt, die das Auftragsmanagement zentralisiert durchführen sollen. Die benötigten Stellenprozente für dieses Pilotprojekt wurden aus dem Mannschaftsbestand der gesamten Polizeiregion ausgehoben. Das Ziel war es, durch diese Bündelung der Kräfte die vier Polizeistationen der Region vom Auftragsmanagement zu entlasten und im Gegenzug ein Team für diesen Aufgabenbereich zu etablieren, welches sich einzig auf diese Arbeit fokussieren kann. Ein weiterer positiver Aspekt dabei: Die Schaffung von Arbeitsplätzen, bei welchen kein Nachdienst mehr geleistet werden muss. Der Job eröffnet für einige Kolleginnen und Kollegen völlig neue Möglichkeiten mit Teilzeitmodellen und flexiblen Arbeitszeiten – ganz im Sinne einer modernen Arbeitswelt. Das Projektteam und die Leiter der Polizeistationen in der Region Linthgebiet-Toggenburg waren nach einem Jahr Pilotphase vom Projekt überzeugt. Bereits per 1. Januar 2024 wurde das Vorhaben operativ umgesetzt und die Inbetriebnahme der neuen Gruppe «Auftragsdienst» ist somit offiziell in der Region Linthgebiet-Toggenburg erfolgt. Bereits jetzt deutet sich an, dass dieses Modell mit der eigenständigen Gruppe und der damit einhergehenden Bündelung der Kräfte auch in den anderen drei Regionen (Bodensee-Rheintal, Werdenberg-Sarganserland und Fürstenland-Neckertal) umgesetzt werden könnte.

Optimale Synergie

Selbstverständlich wurde während der Pilotphase in Uznach analog zur Region Bodensee-Rheintal ebenfalls mit dem neuen Modul im «myAbi» gearbeitet. Mit dem Unterschied, dass in Uznach von einer zentralen Stelle aus Erfahrungen mit der neuen Technik gewonnen werden konnten, während dies in der Region Bodensee-Rheintal von den ansässigen sieben Polizeistationen aus geschah. In beiden Regionen aber war der Digitalisierungsschritt im Auftragsmanagement ein voller Erfolg. Die Geschäftsleitung der Kantonspolizei St.Gallen hat sich nach den positiven Pilot-Erkenntnissen dazu entschieden, dass das Auftragsmanagement im «myAbi» auf die gesamte Regionalpolizei und später auf weitere Hauptabteilungen ausgerollt werden soll. Weiter sind tatsächlich bereits Bestrebungen im Gange, dass externe Partner wie das Strassenverkehrsamt, das Migrationsamt oder die Gemeinden ihre Daten über Schnittstellen ins «myAbi» so liefern, dass die Daten digital und strukturiert übernommen werden können.

Stetiger Wandel und digitale Transformation

Die beiden Pilotprojekte in den Regionen Bodensee-Rheintal und Linthgebiet-Toggenburg hatten sehr unterschiedliche Ansätze. Bei einem ging es um technische Prozesse und beim anderen um die Bündelung der personellen Ressourcen. Doch beide Pilotversuche widerspiegeln die kontinuierliche Effizienzsteigerung und Digitalisierungsbestrebungen der Kantonspolizei St.Gallen. Sie repräsentieren aber auch den Wandel in der Kultur und der Arbeitsweise des Korps. Durch die digitale Transformation werden die Arbeitsabläufe strukturierter, exakter und transparenter. Dies fördert nicht nur die interne Kommunikation, sondern verbessert im Endeffekt vor allem die Dienstleistungen für die Gesellschaft.

Das mit Hilfe von AI erstellte Bild symbolisiert einerseits die Digitalisierung und die dadurch erlangte Effizienz, andererseits in Form des roten Abfallkübels und der herumliegenden Postsendungen und Dokumente die Elemente, welche die Kantonspolizei St.Gallen durch die kontinuierliche Digitalisierung mehr und mehr aus ihren Prozessen beseitigt.