Fahrunfähigkeit im Strassenverkehr
«Der Mann wurde als fahrunfähig eingestuft.» Häufig steht dieser Satz in einer Polizeimeldung. Oder «Eine beweissichere Atemalkoholprobe zeigte einen Wert von «x» mg/l an.» Fahrunfähigkeit im Strassenverkehr ist ein komplexes Thema. Werfen wir einmal einen Blick auf die vielen Ausprägungen dieses Themas.
«Früher war alles besser.», hört man oft in diversen Belangen des Lebens. Doch vielleicht war es einfach weniger komplex? Im Falle der Fahrunfähigkeit im Strassenverkehr dürfte das Fazit genau darauf hinauslaufen.
Wie war es denn früher?
Die moderne Kantonspolizei kennt schon seit einigen Jahrzehnten die «Blasgeräte» oder den «Alkotest», wie es im Volksmund heisst. Das Prinzip ist einfach – ins Röhrchen pusten und ein allfälliger Alkoholwert wird überprüft, ob er im Rahmen der gesetzlich erlaubten Toleranz liegt oder nicht. Doch schon jetzt kommt ein erster Punkt, bei dem es ins Detail geht. Mehr dazu im Laufe der weiteren Erklärungen.
Alkohol ist das Eine – Drogen das andere
Mit einem «Alkotest» kann festgestellt werden, ob jemand zu viel Alkohol getrunken hat. Es gibt jedoch weitere Stoffgruppen, die zur Fahrunfähigkeit führen können – unter anderem sind das Medikamente sowie Betäubungsmittel. Das Aufkommen von sogenannten Drogenschnelltests war revolutionär für die Polizeiarbeit, denn fortan konnte man nicht nur Lenkende unter Alkoholeinfluss aus dem Verkehr ziehen, sondern auch jene unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln. Doch die Tests hatten ihre Tücken. Auf dem Markt sind zwei Varianten der Test vorhanden. Eine Variante basiert auf dem Abgleich der Inhaltsstoffe im Urin, die zweite Testvariante konzentriert sich auf den Abgleich der Schleimhaut in der Mundhöhle. Somit entstanden bereits die ersten Hürden, sobald die zu testende Person Urin abgeben musste. Hinzu kam das nicht unwesentliche Problem, dass die Ergebnisse des Tests je nach konsumiertem Stoff stark variierten. Alles in allem keine optimale Ausgangslage, was den Ablauf der Kontrolle anbelangt.

Viele Fahrunfähige blieben unentdeckt
Nebst Alkohol und Drogen können auch körperliche Gebrechen (sei dies durch Verletzungen, Alterserscheinungen oder psychische Beeinträchtigungen), Medikamentenkonsum oder Müdigkeit zur Fahrunfähigkeit führen. Für viele dieser Ausprägungen der Fahrunfähigkeit gab es kein Testgerät.
Eine neue Methode bringt Abhilfe
Abhilfe brachte im Jahr 2017 die Einführung einer neuen Beurteilungsmethode. Diese wurde damals «Methode zur Erkennung von Fahrunfähigkeit» genannt und ist heute als «Verify» etabliert.
Das Konzept basiert darauf, dass die lenkenden Personen und ihr Verhalten durch die kontrollierenden Polizistinnen und Polizisten beobachtet werden. Mittels definierter Auswertungskriterien beurteilen die speziell geschulten Polizeiangehörigen entsprechende Wahrnehmungen. Innerhalb weniger Minuten erhalten die Kontrollierenden genügend Erkenntnisse sowie Hinweise, um zu entscheiden, ob die Fahrfähigkeit gegeben ist oder nicht. Die Beobachtungen werden in einem Protokoll festgehalten.

Als fahrunfähig eingestuft – was nun?
Wird eine lenkende Person als fahrunfähig eingestuft, wird eine Blut- und Urinprobe angeordnet. Zur Entnahme dieser Probe wird eine medizinische Einrichtung, meist eine Notaufnahme eines Spitals, aufgesucht. Eine Ärztin oder ein Arzt überprüft dabei ebenfalls Anzeichen auf körperliche Unregelmässigkeiten und protokolliert die Beobachtungen.
Die Blut- und Urinprobe geht danach, zusammen mit den Protokollen der Polizei und der Ärzteschaft zum Institut für Rechtsmedizin. Dort werden Laborauswertungen der entnommenen Proben gemacht und diese mit den gesetzlichen Normen abgeglichen. Somit beurteilen drei voneinander unabhängige Instanzen, ob eine Fahrunfähigkeit vorliegt.
Auf polizeilicher Seite wird jenen Personen, die als fahrunfähig beurteilt werden, der Führerausweis auf der Stelle abgenommen sowie die Weiterfahrt untersagt. Somit darf die als fahrunfähig beurteilte Person bis zum Erhalt des Führerausweises kein Motorfahrzeug mehr lenken. Die Strassenverkehrsämter stützen ihren Entzugsentscheid anschliessend auf die vorher erwähnte Gesamtbeurteilung der drei Instanzen.
Fahrfähig – also alles gut?
Wird eine lenkende Person durch die Polizei als fahrfähig eingestuft, ist dies noch nicht das Ende des Prozesses. Personen, die sich häufigen Alkoholkonsum gewohnt sind oder gar an einer Suchterkrankung leiden, zeigen nicht immer die gleichen körperlichen Auffälligkeiten wie Menschen ohne Gewöhnung. Deshalb folgt bei einer negativen Beurteilung immer eine «Atemalkoholmessung», was dem allseits bekannten «Alkotest» entspricht.

Atemalkoholmessung (AAM) und ihre Grenzwerte
Das Messresultat einer Atemalkoholmessung wird in mg/l angegeben. Der früher übliche Promillewert, lässt sich anhand einer Faustregel errechnen, indem man das mg/l-Resultat mal zwei rechnet.
Liegt nun der Messwert unter 0.25mg/l, so ist der gesetzliche Grenzwert eingehalten, sofern es sich bei der lenkenden Person nicht um einen Neulenker handelt oder die Person kein Alkoholverbot von der Administrativbehörde auferlegt bekommen hat.
Bei einem Messwert von mindestens 0.25mg/l und höchstens 0.39mg/l liegt ein privilegierter Tatbestand vor. Sprich der gesetzliche Grenzwert ist überschritten. Dies hat noch keine Ausweisabnahme auf der Stelle zur Folge, jedoch ein Fahrverbot von mehreren Stunden. Eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft und die Berichtgabe an das Strassenverkehrsamt erfolgt trotzdem.
Liegt der Messwert bei 0.4mg/l oder höher, handelt es sich um einen qualifizierten Tatbestand. Es erfolgt die Ausweisabnahme auf der Stelle. Früher wäre hier dann die Entnahme einer Blutprobe erfolgt.
Beweissichere Atemalkoholprobe (BAAP) spart die Blutprobe
Am 1. Oktober 2016 wurde im Rahmen des Strassensicherheitsprogramms «Via Sicura» des Bundes die sogenannte «Beweissichere Atemalkoholprobe (BAAP)» eingeführt. Das Atemalkohol-Messgerät führt innert weniger Sekunden zwei unabhängige Messungen durch. Nur wenn beide den gleichen Befund ergeben, wird ein gültiges Resultat angezeigt. Die regelmässig auf Genauigkeit überprüften Geräte liefern damit einen gerichtsverwertbaren Messwert und eine Blutprobe erübrigt sich, sofern von der überprüften Person keine solche verlangt wird.

War früher wirklich alles besser?
Wie einleitend schon erwähnt, waren die Zeiten, bei denen lediglich der «Alkotest» zur Anwendung kam, sicher einfacher verständlich. In ihrer Aufgabe, die Fahrfähigkeit im Strassenverkehr zu überprüfen und die Verkehrssicherheit zu erhöhen, ist die Polizei heutzutage sicher besser aufgestellt. Es können nicht nur alkoholisierte Verkehrsteilnehmende aus dem Verkehr gezogen, sondern weitere Aspekte, die zu einer Fahrunfähigkeit führen, überprüft werden. Blutproben bei reinen Verstössen gegen die Alkoholgrenzwerte gehören, auf Grund der heutigen technischen Gerätschaften, weitgehend der Vergangenheit an. Ist es kompliziert? Ja – aber wer hat gesagt, dass Polizeiarbeit immer einfach ist?