Cannabis unter der Lupe

Eine Prise CSI Miami gefällig? Das gibt’s auch bei uns: Im Forensisch-Naturwissenschaftlichen Dienst (FND) des Kompetenzzentrums Forensik der Kantonspolizei St.Gallen werden mit modernsten Methoden Substanzen untersucht und identifiziert. Eine Substanz, die immer wieder den Weg ins Labor des FND findet, ist Cannabis. Handelt es sich um Drogenhanf, CBD-Hanf oder vielleicht um gefährliche synthetische Cannabinoide? Wir begleiten den Prozess durchs Labor.
Der Forensisch-Naturwissenschaftliche Dienst (FND) des Kompetenzzentrums Forensik der Kantonspolizei St.Gallen ist so etwas wie die «CSI St.Gallen». Eine Substanz wird in einem spektakulären Kriminalfall sichergestellt, ins Labor gebracht und dort mit nur einem Knopfdruck mit modernsten Geräten innert Sekunden identifiziert.
So einfach ist es in der Realität dann doch nicht. Zwar spüren auch im FND Fachleute Substanzen auf, bestimmen deren Gehalt und rücken selbst winzigsten Mikrospuren (z. B. Fasern oder Lackpartikelchen) zu Leibe. Und auch mindestens so spektakulär wie in «CSI» können manche Fälle beim FND sein. Der tatsächliche und grösste Unterschied zum TV: Die Bearbeitung ist um das x-fache aufwändiger. In der einen Stunde das Pulver analysieren und in der anderen Stunde an die Haustüre des Drogenschmugglers klopfen: Fehlanzeige.
Drogenhanf, CBD und synthetische Cannabinoide
Eine der typischsten Aufgaben des FND: Die Analyse von Hanf (besser bekannt als Cannabis), der beispielsweise bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt wird. Die entscheidende Frage dabei: hat man es mit Drogenhanf oder Nutzhanf (Industriehanf) zu tun. Liegt der THC-Gehalt über 1 %, gilt das grüne Pflänzchen als Betäubungsmittel. Liegt er darunter, sind meist andere Inhaltsstoffe wie CBD dominanter – legal, beruhigend, aber eben nicht berauschend.

Trickreich wird’s, wenn CBD-Hanf künstlich «gepimpt» wurde – etwa mit synthetischen Cannabinoiden lackiert. Eine beliebte und zugleich gefährliche Methode, legalen Hanf anzubauen und danach mit hochpotenten synthetischen Cannabinoiden zu versetzen. Dann wirkt er genauso berauschend und ist obendrein noch gefährlicher für die Gesundheit als Cannabis ohnehin schon. Es sind gar Todesfälle bekannt, weil Cannabis, welches mit synthetischen Cannabinoiden besprüht wurde, eine wesentlich stärkere Wirkung hat und zu einer Überdosierung führen kann.
Drei Messungen im Labor
Wenn die Dienste des FND also gefragt sind, geht’s ab ins Labor: Die Pflanzen werden fein säuberlich sortiert, fotografiert und gewogen. Danach werden sie typisiert. Für die schnelle Analyse gibt es zwar einen Schnelltest, doch der verrät nur, ob Drogen- oder Nutzhanf vorliegt und er hat auch nicht die gleiche Beweiskraft wie die modernen Maschinen des FND. Wie hoch der THC-Gehalt ist oder ob synthetische Stoffe drinstecken, erfährt man erst mit Hilfe modernster Geräte. Genau diese Details sind oft der Schlüssel in einem Strafverfahren.

Nach der ersten Auslegung des Cannabis beginnt die «Hanfmetamorphose»: Die Pflanze wandert in eine Messermühle, wird zu Pulver zerkleinert, mit Alkohol in einem Schraubglasfläschchen extrahiert und schliesslich in einen sogenannten Gaschromatographen geschickt. Dieses Hightech-Gerät besitzt ein 30 Meter langes, haarfeines Glasröhrchen, welches erhitzt wird und so die Substanzen voneinander trennt. Wenn nach exakt 7.6 Minuten ein hohes Signal ausschlägt, ist klar: Drogenhanf. Danach folgt der nächste Gaschromatograph, der den THC-Gehalt bestimmt. Dieser Wert kann von Plantage zu Plantage erheblich abweichen. Je nach Gene und Züchtung ist ein Hanf potenter, sprich THC-haltiger, als der andere.




Wenn nur wenig THC gefunden wird und klar ist, dass es kein Drogenhanf ist, dann geht die Suche nach synthetischen Cannabinoiden los – also ob der vermeintlich legale Hanf nicht doch mit Zusatzstoffen lackiert und so zu THC-haltigem Drogenhanf wurde. Auch hier heisst es: Pulver in Lösungsmittel, trübe Bestandteile raus und ab in den Gaschromatographen. Dieses Gerät verfügt allerdings zusätzlich über einen Massenspektrometer. Es wird so zu einer Art Super-Spürhund und erkennt über eine Million verschiedener Substanzen. Die zu untersuchende Substanz wird erneut durch ein Glasröhrchen gejagt und erhitzt. Beim Gaschromatographen mit Massenspektrometer gibt es wie bei den ersten beiden Messungen gleiche Ausschläge. Zusätzlich kann das Massespektrometer jedoch noch ein charakteristisches Bild der Substanz anzeigen. Das Gerät sucht dann in der Bibliothek nach einem Bild mit einer möglichst grossen Übereinstimmung. Liegt eine Übereinstimmung vor: Treffer.
In unserem Beispiel ergab die Analyse der eingespritzten Substanz ein Bild, welches fast 100%ig übereinstimmt mit dem Stoff MDMB-4en-PINACA, einem synthetischen Cannabinoid. Es wirkt gleich wie THC, aber stärker und lang anhaltender und ist somit auch gefährlicher.


Verwertbarkeit der Beweise
Doch für ein verwertbares Resultat reicht ein Treffer nicht. Darum folgt noch das «zweite Argument»: ein Zeitvergleich. Eine Referenzsubstanz wird eingespritzt – schlägt das Gerät zum selben Zeitpunkt aus wie bei der Probe, ist der Beweis wasserdicht, und zwar auch später, denn: Die Sachbeweise des FND sind vor Gericht anerkannt und verwertbar. Der FND war das erste Polizeilabor der Schweiz, das die Akkreditierung nach ISO 17025 erhielt.
Auch wenn die analysierten Substanzen einen längeren und anspruchsvolleren Weg hinter sich haben als in der Fernsehserie: «CSI»-Flair herrscht alleweil im Forensisch-Naturwissenschaftlichen Dienst der Kantonspolizei St.Gallen.