
Dynamische Sicherheit im Gefängnis: Sicherheit durch Beziehung
Dynamische Sicherheit ist mehr als Mauern, Schlösser und Kameras: Sie setzt auf menschliche Nähe, Vertrauen und professionelle Beziehungen. In modernen Gefängnissen steht nicht allein die Überwachung im Vordergrund, sondern ein respektvoller Umgang zwischen Personal und Inhaftierten. Diese Strategie soll Konflikte entschärfen, Vorurteile abbauen und die Resozialisierung fördern. Doch die Umsetzung ist anspruchsvoll, erfordert Fingerspitzengefühl sowie den richtigen Umgang mit Autorität und Handlungsspielraum.
Es gibt drei Säulen der Sicherheit im Justizvollzug:
Passive Sicherheit – Zur passiven Sicherheit zählen bauliche und technische Massnahmen wie Mauern, gesicherte Türen, Überwachungssysteme oder Kontrollschleusen.
Prozedurale Sicherheit – Hierbei geht es um standardisierte Abläufe und klare Regeln – etwa bei Ein- und Austritten, Zellendurchsuchungen, der Hausordnung oder im Umgang mit Anfragen. Sie geben dem Personal Orientierung und Handlungssicherheit.
Dynamische Sicherheit – Dynamische Sicherheit bedeutet die Gestaltung des Justizvollzugsalltags, insbesondere der Interaktionen zwischen dem Justizvollzugspersonal und den inhaftierten Personen, in menschenwürdiger, respektvoller und fairer Art. Zudem stellt sie den Informationsfluss innerhalb der Institution sicher und beeinflusst positiv. Dadurch soll das rechtzeitige Erkennen und Verstehen von relevanten Verhaltensänderungen zum Zweck zielgerichteter Einflussnahme ermöglicht und zur Resozialisierung der inhaftierten Person beigetragen werden.

Wozu Dynamische Sicherheit?
Zum einen sollen Sicherungsmassnahmen und Disziplinierungen verringert werden. Ebenso wird eine Verringerung der Suizide und Aggressionen gegenüber dem Personal erhofft. Im Weiteren sollen Vorurteile und Stigmatisierungen, unter anderem seitens des Personals, abgebaut werden können. Zudem soll das soziale Verhalten der Inhaftierten sowie die Fähigkeit, straffrei leben zu können, gefördert werden.
Schwierigkeiten für das Personal
Das Personal befindet sich im Spannungsfeld zwischen Betreuung und Aufsicht, Resozialisierung und Sicherheit sowie Nähe und Distanz. Weiter muss manchmal das Opportunitätsprinzip angewandt werden, das bedeutet: Eine Regel soll nicht angewandt werden, um eher ans Ziel zu gelangen.
Autorität und Handlungsspielraum
Das Personal ist verpflichtet, die Ordnung und Sicherheit in der Institution zu gewährleisten und seine Autorität gezielt auszuüben. Auf formaler Ebene ist diese Autorität durch das Gesetz und die Institution gegeben. Auf informeller Ebene hängt die Anerkennung dieser Autorität von der Einstellung und dem Verhalten des Personals gegenüber den inhaftierten Personen ab. Die Mitarbeitenden treffen jeden Tag Entscheidungen darüber, welche Regeln sie wie und wann anwenden sollen. So üben sie häufig ihre Autorität aus, um schwierige Situationen zu bewältigen, ohne unbedingt strenge Regeln anzuwenden. Es sind diese routinemässigen Entscheidungen, die sich auf das reibungslose Funktionieren des Alltags auswirken.
Dynamische Sicherheit im Alltag
Das Personal soll aufmerksam sein und die Inhaftierten gut kennen.
Die Mitarbeitenden stehen regelmässig in Kontakt zu den inhaftierten Personen.
Es sollen positive und professionelle Beziehungen entstehen.
Eine Selbstreflexion wird durchgeführt und es entsteht eine positive Fehlerkultur.
Problemsituationen werden deeskalierend angegangen.
Sicherheit durch Menschlichkeit
Die Zeiten, in denen das Gefängnispersonal lediglich als «Türöffner» fungierte, sind vorbei. Die Dynamische Sicherheit wird gelebt, auch wenn dies einiges an Ressourcen beansprucht. Gerade in kleineren Gefängnissen lässt sich dieser Ansatz besonders wirkungsvoll umsetzen. Der enge Kontakt zwischen Personal und Inhaftierten ermöglicht frühzeitiges Erkennen von Problemen und schafft Vertrauen. Dies ist ein entscheidender Faktor für eine sichere und menschenwürdige Vollzugspraxis. Ein respektvoller, fördernder und konstruktiver Umgang mit den Inhaftierten führt somit nicht nur zu mehr Sicherheit, sondern auch zu mehr Menschlichkeit – und ist damit ein Gewinn für alle Beteiligten.