
Zu Besuch bei Tobias Wachter, Mentor
Tobias Wachter begleitet angehende Polizistinnen und Polizisten durch eine der spannendsten und herausforderndsten Phasen ihres Lebens. Mal ist er Ausbildner, mal Vertrauter, dann wieder Krisenmanager – immer mit dem Ziel, sie auf die Realität des Polizeialltags vorzubereiten. Mit Herz, Fachwissen und Erfahrung sorgt der Mentor dafür, dass sie nicht nur fachlich wachsen, sondern auch an sich selbst glauben.
Tobias, was genau machst du als Mentor?
Tobias Wachter: Kein Tag ist wie der andere und das liebe ich an meiner Arbeit. Mal bin ich in meinem Büro in Schmerikon, ein anderes Mal in der Polizeischule Ostschweiz in Amriswil oder direkt vor Ort bei den Polizistinnen und Polizisten in Ausbildung (PiAs) sowie den Aspirantinnen und Aspiranten. Nur selten sitze ich eine ganze Woche im Büro. Meine Hauptaufgabe ist es, die Aspirantinnen und Aspiranten und PiAs während ihrer gesamten Ausbildung zu begleiten. Dabei findet auch ein grosser Teil an der Polizeischule statt. Ich plane, auf welcher Polizeistation oder in welcher Gruppe der Mobilen Polizei sie eingesetzt werden und arbeite eng mit den Begleitenden zusammen. Auf sie sind wir angewiesen, denn die Begleitenden leisten einen enormen Beitrag für die Auszubildenden. Gemeinsam mit ihnen führen wir Zwischen- und Bewertungsgespräche, kümmern uns um die Qualitätssicherung und helfen bei beruflichen oder persönlichen Problemen. Ein zentraler Punkt ist das zweite Ausbildungsjahr, in dem die PiAs einen Portfoliobericht verfassen und einreichen müssen. Dabei begleiten wir sie intensiv und stehen mit unserem Fachwissen zur Seite. Insgesamt sind wir vier Mentoren – einer für jede Polizeiregion – welche im März 2020 in diese Funktion gewählt wurden.

Bist du mehr in der Theorie oder in der Praxis tätig?
Tobias Wachter: Beides. Theorie und Praxis gehen bei uns Hand in Hand. Ein grosser Teil meiner Arbeit ist die vernetzte Ausbildung. Ausserdem bin ich Fächerchef für Strassenverkehrsrecht und Verkehrsunfallaufnahme an der Polizeischule Ostschweiz. In dieser Funktion koordiniere ich 27 Instruktorinnen und Instruktoren, achte auf die Qualitätssicherung der Lehrinhalte und bin Ansprechpartner für fachliche Fragen.
Du bist auch Prüfungsexperte. Wie laufen die Prüfungen ab?
Tobias Wachter: Nach dem ersten Jahr steht die Vorprüfung an, die sogenannte Prüfung der Einsatzfähigkeit. Diese entscheidet, ob die Aspirantinnen und Aspiranten ins zweite Ausbildungsjahr wechseln können. Wenn sie nicht bestehen, wird mittels definierten Prozesses überprüft, ob der durchgefallene Prüfling die Prüfung unter der Anstellung der Kantonspolizei St.Gallen wiederholen kann. Am Ende der Ausbildung folgt die Berufsprüfung, bei der der eingereichte Portfoliobericht bewertet wird. Anschliessend werden die Prüflinge zu einem Fachgespräch aufgeboten, bei welchem sie ihren letzten Prüfungsteil absolvieren. Natürlich bewerte ich nur Prüflinge aus anderen Korps des Ostschweizer Polizeikonkordats OSTPOL.
Begriffserklärung: Die Bezeichnung Aspirant/-in (Asp) gilt für die 1. Ausbildungsphase (Polizeischule, Praktikum und Vorprüfung). Danach wird man in der 2. Phase (dem eigentlichen Praxisjahr im Stammkorps) zur Polizistin oder zum Polizist in Ausbildung (PiA), bis nach diesen zwei Jahren schliesslich die Eidgenössische Berufsprüfung erfolgreich bestanden ist. Danach ist man Polizistin oder Polizist.
Sehen die PiAs und Aspirantinnen und Aspiranten dich als Vertrauensperson?
Tobias Wachter: Ja, das gehört dazu. Wir sind nicht nur für fachliche Fragen da, sondern auch Ansprechpartner bei persönlichen Problemen. Die PiAs können sich jederzeit an uns oder ihre Begleitenden wenden, wenn sie Unterstützung brauchen.
Was sind die grössten Herausforderungen bei deiner Arbeit?
Tobias Wachter: Am schwierigsten ist auf jeden Fall der Spagat zwischen den Anforderungen der Polizeischule Ostschweiz, den Bedürfnissen der Zuständigen der Regionen und den Anliegen der Aspirantinnen und Aspiranten und PiAs. Ab 2026 starten jeweils zwei Lehrgänge pro Jahr. Das ist meiner Meinung nach eine gute Sache, generiert aber auch mehr Aufwand für uns. Auch wenn die Gesamtzahl der Auszubildenden gleichbleibt, sind wir vor allem mit den korpsinternen Ausbildungen und Anlässen mehr gefordert.
Welche Fähigkeiten sollte man als Mentor mitbringen?
Tobias Wachter: Man braucht soziale Kompetenz, muss teamfähig sein, selbständig arbeiten können und den Umgang mit Menschen mögen. Auch Organisationstalent und ein sicheres Auftreten gehören dazu. Fachwissen in der Grundausbildung und Instruktion ist ebenso wichtig wie Kenntnisse in personalbezogenen Themen. Weil die Grundausbildung alle Hauptabteilungen betrifft, ist eine gute Vernetzung im ganzen Korps unerlässlich.

Wenn du dir etwas wünschen könntest, was würde deine Arbeit erleichtern?
Tobias Wachter: Grundsätzlich sind wir bei der Kantonspolizei St.Gallen sehr gut aufgestellt. Wir haben hier viele Vorteile, vor allem durch die starke Unterstützung der Begleitenden. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es sicherlich mehr Zeit für die Betreuung unserer eigenen Aspirantinnen und Aspiranten sowie PiAs. Da ich jedoch viel an und mit der Polizeischule beschäftigt bin, muss ich mich manchmal mit weniger Zeit zurechtfinden. Ich erhoffe mir mit dem aktuell laufenden Projekt «Polizeischule der Zukunft» in der Zukunft wieder vermehrt Ressourcen in dieser Hinsicht.
Was macht dir an deiner Arbeit als Mentor besonders viel Freude?
Tobias Wachter: Das ist klar die Arbeit mit den angehenden Polizistinnen und Polizisten. Es ist unglaublich motivierend, junge Menschen auf ihrem Weg zu begleiten und zu sehen, wie sie sich entwickeln. Besonders schön ist es, wenn jemand nach anfänglichen Schwierigkeiten am Ende grosse Fortschritte macht. Es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen wird und die frisch gebackenen Polizistinnen und Polizisten ihre erste feste Stelle mit einem sicheren Gefühl antreten können.
