
Zu Besuch bei Karla Mäder, Lernende Chemielaborantin
Karla ist Chemielaborantin im zweiten Lehrjahr. Warum die Arbeit bei der Kantonspolizei St.Gallen etwas ganz Besonderes ist, wie ihr Arbeitsalltag aussieht und was es mit dem täglichen Kontakt mit Betäubungsmitteln auf sich hat, erzählt sie uns im Interview.
Karla, was hat dich dazu bewegt, Chemielaborantin zu werden?
Karla: In der fünften Klasse durfte ich meine Gotte im Rahmen des Zukunftstags an ihrem Arbeitsplatz als Chemielaborantin besuchen. In ihrer Firma stellte sie Klebstoffe her und vermischte dazu verschiedene Stoffe miteinander. Die Arbeit fand ich interessant. Beim nächsten Zukunftstag habe ich den Beruf nochmals angeschaut. So hat sich schon relativ früh abgezeichnet, welchen beruflichen Weg ich einschlagen möchte.
Wie ist deine schulische und praktische Ausbildung während der Lehre organisiert?
Karla: Die Lehre wurde von ursprünglich vier auf drei Jahre verkürzt. Nun müssen wir gleich viel Stoff in derselben Zeit lernen, was eine Herausforderung ist. Wöchentlich habe ich umgerechnet eineinhalb Tage Schule, den Rest der Zeit verbringe ich am Arbeitsplatz. Die schulische Ausbildung teilt sich dabei in zwei Schwerpunkte auf: Allgemeinbildung und Berufskunde. Bei Letzterer lernen wir beispielsweise Geräte und Verfahren kennen – alle Dinge halt, welche ich für die Arbeit als Chemielaborantin wissen muss.
Wie erlebst du deinen Arbeitsalltag und das Miteinander im Team?
Karla: Aktuell besteht der Forensisch-Naturwissenschaftliche Dienst aus elf zivilen Mitarbeitenden. Da man oft Fälle alleine bearbeitet, hätte ich vorher nicht gedacht, welch grosse Rolle die Teamarbeit bei uns spielt. Dass wir ein so tolles Team sind, macht mich glücklich und sehr dankbar – von Klassenkameradinnen und -kameraden höre ich teilweise andere Geschichten. Meine Arbeit teilt sich auf in schulische Aufträge und Fallarbeit, also fallbezogene Aufträge der Polizei. Bei Letzteren kann ich unter anderem Betäubungsmittel untersuchen und bestimmen. Schulische Aufträge erhalte ich jeweils von meinem Lehrmeister Ivan Schlatter. Er bereitet für mich beispielsweise Destillationen vor, also Verfahren, um einzelne Substanzen voneinander zu trennen. Zudem lerne ich Schmelz- und Siedepunkte zu bestimmen. Das wird benötigt, um Reinheit und Identität eines Stoffes anzugeben.
Was hat dich dazu bewegt, deine Lehre ausgerechnet bei der Kantonspolizei St.Gallen zu beginnen – und was unterscheidet die Ausbildung hier von anderen Betrieben?
Karla: Ich bin eher zufällig via online Lehrstellenportal auf die freie Lehrstelle bei der Kantonspolizei St.Gallen gestossen. Danach konnte ich drei Tage zum Schnuppern vorbeikommen. Hier war alles komplett anders als in anderen Betrieben und das faszinierte mich von Anfang an. Zudem durfte ich hier schon im ersten Lehrjahr Fälle selbständig bearbeiten. Ich darf relevante Dinge für die Kantonspolizei St.Gallen erledigen und meine Arbeit wird gebraucht. Das gibt mir ein tolles Gefühl. Andere Lernende dürfen teilweise lediglich Lehrlingsaufträge erfüllen. Ausserdem gefällt mir hier nicht nur das Team sehr gut, sondern auch, dass man mir alles sehr gut erklärt. Ich werde als vollwertiges Mitglied des Teams gesehen, respektvoll behandelt und darf überaus spannende Arbeiten erledigen.
Was genau gehört zu diesen spannenden Arbeiten?
Karla: Ich befasse mich hauptsächlich mit der Analyse von Betäubungsmitteln. Dabei erhalte ich jeweils eine Fallmappe mit allen wichtigen Informationen sowie die zu analysierenden Substanzen. Die Substanzen packen wir aus, unterteilen sie in Positionen und homogenisieren sie. Dieser Prozess geschieht unter der sogenannten «Kapelle» – eine Art Dunstabzug mit Glasschiebetür. Zum Schutz tragen wir während den verschiedenen Prozessen einen Labormantel, Handschuhe oder auch Masken. Vor allem wenn mit flüssigen Chemikalien gearbeitet wird, kommt noch die Schutzbrille dazu. Während der Arbeit an den Substanzen tragen wir ausserdem einen «Totmann» – ein Gerät, dass merkt, wenn ein Mensch handlungsunfähig oder in einer waagrechten Position ist. Meine Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen untersuchen zudem noch Brandfälle, Lack- und Glasspuren, Spuren von Mikrofasern an Kleidung und vieles mehr.
Wie sicher ist deine Arbeit im Labor? Gab es schon brenzlige Situationen?
Karla: Bei der Arbeit geht vielleicht mal etwas kaputt, aber zu grösseren Unfällen ist es bei uns zum Glück nie gekommen. Im überbetrieblichen Kurs, den wir in der Schule belegen, ist aber auch schon mal das eine oder andere in die Luft geflogen.
Wie erlebst du den schulischen Teil deiner Ausbildung?
Karla: Wir haben in dem Sinn keine einzelnen Fächer, so wie das viele Leserinnen und Leser wahrscheinlich noch kennen. Bei uns ist alles miteinander verknüpft. Wie bereits anfangs erwähnt wurde die Lehre um ein Jahr verkürzt. Aus diesem Grund ist das Tempo relativ schnell und man muss viel Effort in der Freizeit leisten, um die schulischen Ziele zu erreichen. Kurz gesagt: Ich arbeite lieber, als die Schulbank zu drücken.
Was begeistert dich an deiner Ausbildung? Und was macht deine Arbeit so besonders für dich?
Karla: Es fasziniert mich, dass ich in einem so speziellen Bereich arbeiten darf. Ein Bereich, in den die wenigsten Leute Einblick haben. Manchmal bekommen wir zehn Kilogramm Kokain auf einmal herein oder plötzlich sind die Gänge und Räume mit Cannabis gefüllt. Bei uns ist jeder Tag anders. Wenn ich Substanzen zur Untersuchung bekomme, könnte es sowohl Kokain als auch Backpulver sein – man weiss vorher nie, welche Aufgaben einen heute erwarten. Auch die Sachverhalte und Geschichten, die hinter den zu untersuchenden Proben stecken, sind natürlich spannend. Ich habe das Gefühl, mit meiner Arbeit Teil von etwas Wichtigem, etwas Grossem zu sein. Ich schätze es sehr, dass mir vertraut wird, ich total ins Team integriert bin und sehr selbständig arbeiten darf. Ich kann die Verantwortung selbst übernehmen und meine Arbeit planen. Das alles macht mich stolz.