Top vorbereitet: Wer überzeugt, wird belohnt
Unzählige Interviewanfragen für Schularbeiten gehen bei der Kantonspolizei St.Gallen in hoher Kadenz ein. Dabei handelt es sich beispielsweise um Vertiefungs-, Abschluss- oder Diplomarbeiten mit Berührungspunkten zur Polizeiarbeit. Längst nicht jede dieser Anfragen wird bewilligt. Aus Ressourcengründen können nur jene Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden, welche sich besonders gut und fundiert vorbereitet haben. Ein tolles Beispiel liefern Enis und Fabian. Sie widmeten sich dem Thema Verkehrssicherheit. Die Thematik ist für einen Grossteil der Bevölkerung interessant. Daher hat sich die Kantonspolizei St.Gallen dazu entschlossen, das Interview im Fokusbericht abzudrucken. Der Dank gebührt Enis und Fabian!
Immer wieder wählen Schülerinnen oder Schüler, Studierende oder Auszubildende für eine Vertiefungs- oder Abschlussarbeit ein Thema, welches einen konkreten Bezug zur Polizei hat. Bei solchen Arbeiten liegt es auf der Hand, dass die Kantonspolizei St.Gallen als Interviewpartnerin äusserst beliebt ist. Aufgrund der knappen Personalressourcen im Polizeikorps kann aber nicht jedem Wunsch für ein solches Gespräch entsprochen werden. Die Prioritätensetzung muss in fordernden Zeiten wie den heutigen zwingend auf polizeiliche Grundaufträge, auf Ruhe, Sicherheit und Ordnung gesetzt werden. Dennoch versucht die Kantonspolizei St.Gallen durch eine gezielte Triage der Anfragen zu unterstützen und Interviews für Schularbeiten zu ermöglichen. Wenn Schülerinnen und Schüler ihre Anfrage gut vorbereitet haben, strukturiert einreichen und ein sinnhaftes Thema mit klar definierten Zielen vorweisen können, wird, wenn immer möglich ein Interviewtermin vereinbart. Diese Interviews werden im Normalfall beim Polizeikommando der Kantonspolizei persönlich und mündlich durchgeführt.
Ein sehr gutes Beispiel sind die beiden Schüler Enis und Fabian. Sie befinden sich im vierten Lehrjahr als Informatiker Systemtechnik und haben im Rahmen ihrer Vertiefungsarbeit das Thema Verkehrssicherheit behandelt. Mit ihrer Anfrage stiessen sie bei der Kantonspolizei St.Gallen auf offene Ohren. Aufgrund ihres klaren Plans und der sorgfältigen Vorbereitung erhielten die beiden die Chance auf ein Interview bei der Kantonspolizei St.Gallen. Die beiden jungen Männer haben sich akribisch auf ihren Besuch beim Polizeikommando im Klosterhof vorbereitet und ihr Fragenkatalog ist wohlüberlegt aufgebaut worden. Die spannenden Fragen rund um das Thema Verkehrssicherheit haben es verdient, als Blog-Beitrag der Kantonspolizei St.Gallen publiziert zu werden. Grund genug, in das spannende Thema einzutauchen und mehr über den Umgang mit Unfallschwerpunkten, Ablenkung am Steuer, Verkehrskontrollen und vieles mehr zu erfahren. Danke Fabian und Enis!
Fabian: Gibt es bestimmte Strassenabschnitte oder Kreuzungen, die besondere Aufmerksamkeit erfordern? Gibt es Orte, bei denen öfters ein Unfall entsteht?
Kapo SG: Ja, die gibt es. Bei uns bezeichnen wir diese als Unfallschwerpunkte. Diese werden grundsätzlich einem Monitoring unterzogen und dem jeweiligen Strasseneigentümer, zum Beispiel dem Tiefbauamt des Kantons St.Gallen, gemeldet. Auf Kantonsstrassen fliessen die Meldungen ins jeweilige Strassenbauprogramm ein und können entsprechend baulich angepasst werden.
Enis: Was sind typische Ursachen, die zu einem Verkehrsunfall führen?
Kapo SG: Unaufmerksamkeit und Ablenkung zum Beispiel durch elektronische Hilfsmittel wie Handy, Radio und Ähnlichem spielen insbesondere bei den Autos eine entscheidende Rolle. Bei Motorrädern ist es eher überhöhte Geschwindigkeit. Dies gilt auch bei E-Bikes. Bei Letzteren wird das Fahrverhalten vielfach unterschätzt. Bei den Scootern zeigen neuste Erkenntnisse, dass vielfach die Instabilität aufgrund der kleinen Räder sowie der Lenkereinheit zu Unfällen führen.
Fabian: In welchem Alter werden die meisten Verkehrsunfälle verursacht?
Kapo SG: Vor allem bei der Altersgruppe zwischen 25 und 44 Jahren sticht Ablenkung als Unfallursache hervor. Dabei schneiden die Männer gegenüber den Frauen wesentlich schlechter ab.
Enis: Ab welchem Alter sollte man den Führerschein freiwillig abgeben, um die Sicherheit im Strassenverkehr nicht negativ zu beeinflussen? Und warum ab diesem Alter?
Kapo SG: Eine eigentliche Altersbeschränkung wäre unseres Erachtens der falsche Weg. Entscheidend ist, dass eine Person fahrfähig ist. Dies ist nicht zwingend mit dem Alter in Verbindung zu bringen, sondern mit dem persönlichen Zustand.
Fabian: Finden Sie, in der Schweiz ist der Strassenverkehr gegenüber anderen Ländern sicher?
Kapo SG: Die Schweiz steht im internationalen Vergleich sehr gut dar. Mit dem Programm Via Sicura (Mehr Verkehrssicherheit dank Via sicura) konnte die Verkehrssicherheit massgeblich gesteigert werden. Allerdings sind immer noch zu viele Opfer zu beklagen. Im Jahr 2023 haben auf St.Galler Strassen 19 Menschen ihr Leben verloren. Zudem mussten 240 Verkehrsunfälle mit Schwerverletzten beklagt werden. Trotz der gegenüber dem Ausland eher tiefen Werte ist jeder Tote und Schwerverletzte einer zu viel.
Enis: Wirken sich die neuen Sicherheitsfunktionen der Autos positiv oder negativ auf die Sicherheit im Strassenverkehr aus? Und falls ja, warum?
Kapo SG: Die Sicherheitsfunktionen wirken sich sicher positiv aus. In den Statistiken kann klar nachgewiesen werden, dass beispielsweise bei der Einführung der Gurtentragpflicht die Auswirkungen bei den Unfällen klar gesunken sind. Das Gleiche gilt auch für die vielen «Helferlein», die heutzutage in den Autos, aber auch bei den Motorrädern verbaut sind. All diesen Hilfsmitteln sind aber Grenzen gesetzt. Ist die gefahrene Geschwindigkeit zu hoch, verhindert auch ein Stabilisationsprogramm oder ein ABS den «Abflug» nicht. Ebenso gilt es zu beachten, dass die Anzahl der Fahrzeuge stetig zunimmt. Entsprechend kann schon von einem gewissen Erfolg gesprochen werden, wenn die Unfallzahlen trotz Mehrverkehr nicht steigen. Erschwerend kommt dazu, dass die Anforderungen an die Verkehrslenkenden mit zunehmendem Verkehr steigen. Der Platz wird geringer, die Hektik steigt. Entscheidend ist dementsprechend das persönliche Fahrverhalten. Die gesetzlichen Vorgaben einhalten und eine gewisse Grosszügigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmenden walten zu lassen sind immer noch die besten Mittel, um einen Unfall zu verhindern.
Fabian: Nutzt die Polizei auch solche Sicherheitsfunktionen? Falls ja, welche?
Kapo SG: Im Zusammenhang mit der Ermittlung bei Unfällen werden natürlich auch die technischen Möglichkeiten bei den beteiligten Fahrzeugen genützt. Insbesondere interessant sind dabei natürlich Steuergeräte, welche Aufzeichnungen zum Beispiel über die gefahrene Geschwindigkeit, den Druck auf das Bremspedal oder aber auch bezüglich Zeichengabe machen. All diese Werte und viele mehr können bei der Suche nach der Unfallursache hilfreich sein. Ebenso können diese Angaben auch eine entlastende Wirkung bei allfälligen Anschuldigungen und Behauptungen haben. Und ja, natürlich haben auch die Fahrzeuge der Kantonspolizei St.Gallen Sicherheitsfunktionen, welche wir nutzen. Auch die Polizistinnen und Polizisten profitieren am Steuer von der modernen Technik.
Enis: Gibt es bestimmte Witterungsbedingungen, die zu erhöhten Risiken im Strassenverkehr führen, und wie reagiert die Polizei darauf?
Kapo SG: Nasse Fahrbahnen, Schnee, aber auch Herbstlaub führen automatisch zu höherem Risiko. Nicht ohne Grund hat der Gesetzgeber vorgegeben, dass die Fahrweise den Strassenverhältnissen anzupassen ist. Ebenso werden die Sichtverhältnisse im Herbst und Winter durch die zunehmende Dunkelheit verschlechtert. Sehen und gesehen werden ist genauso entscheidend wie die Anpassung der Geschwindigkeit an die Verhältnisse. Mit nationalen Werbekampagnen, Lichtkontrollen und allgemeinen Verkehrskontrollen wird auf die anforderungsreichen Verhältnisse hingewiesen und reagiert.
Fabian: Gibt es spezifische Verkehrsregeln oder -verstösse, die in der Schweiz besonders im Fokus stehen?
Kapo SG: Immer im Fokus stehen die Themen im Zusammenhang mit Berauschungsmitteln wie Alkohol, Drogen oder aber auch Medikamenten. Des Weiteren zeigen die Unfallauswertungen, dass die Einhaltung des Abstandes zum vorherfahrenden Fahrzeug vielfach vernachlässigt wird. Teilweise gefährlich und vor allem ärgerlich sind abgeänderte Fahrzeuge. Anpassungen an Motoren, Bremsanlagen und Radaufhängungen können sich punkto Sicherheit sehr nachteilig auswirken. Umbauten von Abgasanlagen, Klappensteuerungen oder Ähnlichem sind bezüglich Lärm ein ewiges Ärgernis. In die gleiche Kategorie gehört das Fahrverhalten: Kleiner Gang mit hohen Drehzahlen führen einfach nur zu übermässigem Lärm.
Enis: Welche Massnahmen ergreift die Polizei, um die Verkehrssicherheit zu verbessern?
Kapo SG: Geschwindigkeitskontrollen, aber auch Grosskontrollen werden vielfach als Schikane oder als «Geldmacherei» empfunden. Entgegen dieser Meinung dienen die Anlagen und auch die Kontrollen der Verkehrssicherheit und letztlich uns allen. Seit 2022 hat die Kantonspolizei St.Gallen ein Verkehrskontrollsystem (VKS) in Betrieb, mit welchem regelmässig Abstandsmessungen gemacht werden. Wenn man sieht, welche Abstände teilweise eingehalten oder eben nicht eingehalten werden, kommt man manchmal aus dem Staunen nicht heraus. Bei einer Geschwindigkeit von 80km/h legen wir in der Sekunde 22.2 Meter zurück. Bei einer Geschwindigkeit von 120km/h sind es bereits 33.3 Meter. Nicht selten werden aber Abstände unter 20 Meter entdeckt.
Fabian: Hat der Einsatz von Verkehrskameras einen positiven Einfluss auf den Strassenverkehr? Und falls ja, warum? Was genau macht es sicherer?
Kapo SG: Die Frage ist, was mit Verkehrskameras gemeint ist. Sind damit Radaranlagen respektive Geschwindigkeitsmessanlagen gemeint, kann die Frage klar mit ja beantwortet werden. Durch die Kontrollen, welche meist sichtbar sind, wird das Fahrverhalten durch die Fahrzeuglenkenden angepasst. Grundsätzlich soll jeder Fahrzeuglenkende daran erinnert werden, dass er oder sie jederzeit und an jedem Ort mit einer Geschwindigkeitsüberprüfung rechnen muss.
Verkehrskameras im eigentlichen Sinn dienen der Verkehrsüberwachung respektive der Visualisierung der Situation auf einem bestimmten Strassenstück. Diese Anlagen dienen der Polizei in erster Linie zu gezielten Eingriffen im Verkehr, zum Beispiel bei Unfällen, Stau oder Baustellen. Und zur Beurteilung des Verkehrsflusses. Durch diese Möglichkeiten können frühzeitig Massnahmen ergriffen werden, wie die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit, Stauwarnungen oder Sperrungen von einzelnen Fahrstreifen. Diese getroffenen Massnahmen wirken sich wiederum auf die Verkehrssicherheit aus.
Enis: Welche Rolle spielen Verkehrskontrollen in Bezug auf die Strassenverkehrssicherheit und wie oft werden sie durchgeführt?
Kapo SG: Anlässlich von Verkehrskontrollen wird der Fahrer oder die Fahrerin, aber auch das Fahrzeug kontrolliert. Die Person am Steuer wie auch das Fahrzeug haben in dem vom Gesetz vorgeschriebenen Zustand zu sein. Ist eine fahrzeuglenkende Person nicht fahrfähig oder ist das Fahrzeug nicht in ordnungsgemässem Zustand, dann ist die Verkehrssicherheit nicht gegeben. Entsprechend darf die Person oder ein solches Fahrzeug am Verkehr nicht mehr teilnehmen. Vielfach wird dabei vergessen, dass es nicht nur um den Schutz der anderen Verkehrsteilnehmenden geht, sondern auch um den Schutz der betreffenden Person selbst. Ein verhinderter Unfall schützt auch diese vor teilweise erheblichen Folgen. Grosskontrollen werden im Jahr zwischen 10 und 15 durchgeführt, andere Kontrollen finden täglich statt.
Fabian: Wie hat sich die Verkehrssicherheit im Laufe der Jahre entwickelt? Und gibt es spezifische Ziele für die Zukunft?
Kapo SG: Die Verkehrssicherheit hat sich positiv entwickelt. Leider sind, wie vorgängig schon erwähnt, zu viele Tote und Schwerverletzte zu beklagen. Solange Menschen durch den Verkehr negativ beeinträchtigt werden, wird auch die Kontrolltätigkeit von Nöten sein. Entsprechend wird sich die Ausrichtung der Kontrollen gegenüber heute kaum wesentlich ändern. Ein zusätzliches Augenmerk wird sicherlich auch auf die Thematik Lärm respektive deren Verursacher gelegt. Insbesondere werden diesbezüglich auch die technischen Fortschritte im Zusammenhang mit der Überwachung im Auge behalten. Wir sind überzeugt, dass sich in diesem Thema in den nächsten Jahren einiges bewegen wird.
Enis: Wir bedanken uns ganz herzlich für die Möglichkeit dieses Gesprächs.
Kapo SG: Gern geschehen.
Wir von der Kantonspolizei St.Gallen gratulieren Enis und Fabian zur tollen Vertiefungsarbeit und zur zwischenzeitlich erfolgreich bestandenen Lehrabschlussprüfung!