Hinfallen, aufstehen, Krone richten, weitergehen…

Am Donnerstag, 18. Februar 2021, kurz vor Mittag, stürzte ein Flugzeug, eine Piper, vor dem Flughafen Altenrhein in den Bodensee. Der Pilot konnte gefunden und gerettet werden. Beim zweiten Versuch gelang es, die Maschine zu bergen.

Der Absturz – Es herrschte dichter Nebel über dem Bodensee, als plötzlich die Meldung aus dem Funkgerät erklang, dass ein Flugzeug in den Bodensee abgestürzt sei. Unverzüglich wurde die Rettungskette ausgelöst und mehrere Patrouillen der Kantonspolizei St.Gallen sowie verschiedene Partnerorganisationen kamen zum Einsatz. Erleichterung machte sich breit, als nach kurzer Zeit vermeldet wurde, dass der Pilot lebend geborgen werden konnte. Vom Flugzeug jedoch fehlte jede Spur. Lediglich ein paar Trümmerteile sowie ein Benzinfilm an der Wasseroberfläche zeugten von der Tragödie, die sich wenige Minuten zuvor im dichten Nebel abspielte. Die mutmassliche Absturzstelle wurde mit einer Boje markiert. Dabei stellte sich heraus, dass die Wassertiefe in diesem Bereich um die 80 Meter beträgt.

Erster Versuch – Am Dienstag, 23. Februar 2021, reisten Spezialisten der Kantonspolizei Genf nach St.Gallen. Im Gepäck hatten sie ein Sonargerät sowie einen ROV (Remotely Operated Underwater Vehicle). Dabei handelt es sich um einen Tauchroboter, welcher von der Oberfläche aus bedient werden kann. Gleichentags wurde das Boot des Schifffahrtsamts mit dem Sonargerät ausgerüstet und am nächsten Tag erfolgte eine erste Suche. Nach kurzer Zeit konnte das Flugzeug in einer Tiefe von 84 Meter geortet werden. Die Bilder, welche der ROV lieferte, bestätigten dies. Das Flugzeug steckte mit der Nase im Seegrund und stand fast senkrecht. Nun begann die Einsatzplanung für die Bergung am nächsten Tag. Innert kurzer Zeit konnte eine Fähre der Schweizerischen Bodenseeschifffahrt gechartert werden. Ebenfalls konnte die Firma Emil Egger AG für den kurzfristigen Einsatz aufgeboten werden. Der Einsatz war so geplant, dass ein Tauchteam der Kantonspolizei St.Gallen zum Flugzeug taucht und dort an je einem Flügel einen Traggurt anbringt. Ein zweites Tauchteam sollte dann die Vergurtung am Haken des Pneukrans einhaken. So sollte das Flugzeug in eine geringere Tiefe angehoben werden. Danach hätten weitere Taucher nochmals Traggurte um die Flügel gespannt und an einen zweiten Kran, einem Lastwagenkran, eingehängt. So sollte die Piper schliesslich an die Oberfläche gebracht werden. Es kam jedoch ganz anders…

Am Donnerstag, 25. Februar 2021 war es dann soweit. Das Wetter konnte nicht besser sein. Sonnenschein und absolute Windstille. In Romanshorn fuhren ein Pneukran, ein Lastwagenkran und ein weiterer Lastwagen als Gegengewicht auf die Fähre. Zusätzlich begaben sich die Sanität und Feuerwehr mit ihren Fahrzeugen auf die Fähre. Mit den beiden Kränen als Gallionsfigur stach die Fähre in See. Ein eindrückliches Bild. Was danach folgte, war das Gegenteil: Geprägt von diversen Verzögerungen und technischen Problemen musste die Bergungsaktion bei Einbruch der Dunkelheit abgebrochen werden. Kein Polizeitaucher war an diesem Tag beim Flugzeug. Es herrschte eine getrübte Stimmung; Wunden lecken war angesagt.

Der zweite Versuch – Aufgeben ist keine Option und so wurde der zweite Bergungsversuch in Angriff genommen. Optimierungspotential aus dem ersten Versuch wurde erkannt und angegangen. Zuerst wurde erneut eine Boje beim Flugzeug platziert. Diese wurde jedoch im Gegensatz zur Vorgängerin mit viel mehr Gewicht ausgestattet. Danach tauchten drei Taucher auf 84 Meter zum Flugzeug ab und befestigten an den beiden Flügeln Traggurte. Diese wurden mit einem Seil verbunden und in einer Tiefe von rund 50 Meter am Bojenseil befestigt. Diese Vorarbeiten waren zwar zeitintensiv, aber enorm wichtig für eine erfolgreiche Bergung. Dann war es wieder soweit: Am Mittwoch, 12. Mai 2021, morgens, nahm die Fähre Kurs auf die Absturzstelle – gleich bestückt wie beim ersten Versuch, wobei das Wetter nicht ganz so gut war. Es regnete und der Wind war stärker als vorhergesagt. Die Einsatzleitung sowie die Polizeitaucher machten sich beim Hafen Rorschach für den Einsatz bereit. Als Schiffsführer standen ihnen Mitarbeitende des Seerettungsdiensts und des Schifffahrtsamts zur Seite. Die Anspannung war sichtbar; es musste dieses Mal einfach klappen. Bei der Arbeitsboje angekommen, sprangen die ersten drei Taucher ins Wasser und tauchten auf 50 Meter ab. Dort verbanden sie das vorbereitete Seil mit dem Haken des Pneukrans. Nachdem die Taucher wieder an der Oberfläche erschienen und von ihrem Erfolg berichteten, begann der Kranführer das Flugzeug anzuheben. Eine sehr heikle Phase. Da die Nase der Piper im Schlick steckte, war die erste Anhebung aufgrund eines gebildeten Vakuums nicht einfach. Der Kranführer zeigte jedoch sehr viel Fingerspitzengefühl. Als er meldete, dass er die Maschine am Haken hatte und dabei war, sie heraufzuziehen, war die Freude gross. Wegen den Verlängerungsseilen am Kranhaken war es nicht möglich, das Flugzeug direkt an die Oberfläche zu bringen. Hierfür kam der Lastwagenkran zum Einsatz. An der Oberfläche wurde die Last vom Pneukran auf den Lastwagenkran umgehängt. Der nächste Schritt hing wieder von den Tauchern ab. Auf einer Tiefe von 22 Meter wurden erneut Traggurten um die Flügel gelegt und am Haken des Pneukrans eingehakt. Als dann das Heck des Flugzeugs das erste Mal die Wasseroberfläche durchbrach, war die Erleichterung gross. Das Heck sowie die Nase mussten noch stabilisiert werden. Danach hievte der Kranführer die Piper gekonnt auf das Deck der Fähre. Als dies geschah, liess der Fährkapitän das Schiffshorn dröhnen. Die umliegenden Boote stimmten feierlich mit ein. Im Anschluss wurde das Flugzeug in den Hafen Rorschach gebracht, wo es zerlegt und schliesslich abtransportiert wurde. Erstaunlich war, dass sich immer noch rund 400 Liter Treibstoff im Flugzeug befanden.

Für die zweite Bergung stimmte einfach alles. Die Vorbereitungsarbeiten wurden perfekt installiert, Abläufe im Trockenen simuliert und so wusste jeder, was er am Einsatztag zu tun hatte. Ein grosser Dank gilt dem Fährkapitän, der sein Schiff exakt positionieren konnte und somit die Arbeit sehr erleichterte. Zur exakten Positionierung der Fähre kamen auch die Drohnenpiloten der Kantonspolizei St.Gallen zum Einsatz. Mit ihren Drohnen konnten sie dem Fährkapitän einen Fixpunkt anzeigen. Ohne das Team der Emil Egger AG wäre der Einsatz nicht möglich gewesen. Es war erstaunlich, mit welcher Präzision der Kranführer sein Arbeitsgerät steuern konnte. Auch Mitarbeitende der SUST (Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle) leisteten einen wichtigen Beitrag zum Einsatz. Ihr Fachwissen war für das Anbringen des Bergungsmaterials am Flugzeug essenziell. Sämtliche Einsatzkräfte zogen an einem Strick. Die Erleichterung über die erfolgreiche Bergung war in den Gesichtern der Einsatzkräfte abzulesen.