Aufwändige Täterermittlung

[Bilder: St. Galler Tagblatt/Michel Canonica]

Vergangenes Jahr wurde die Stadt St.Gallen im Frühling zum Schauplatz wüster Randale. Jugendliche und junge Erwachsene lehnten sich während drei Wochenenden gegen die Covid-Massnahmen auf. Dabei kam es zu diversen Sachbeschädigungen und Gewaltausbrüchen. Die Ermittlungsarbeit, die während und nach den Randalen gefordert war, stellte die Mitarbeitenden der Kantonspolizei St.Gallen vor einen erheblichen Mehraufwand.  

Zwischen Freitag, 26. März und Samstag, 10. April 2021, lehnten sich Jugendliche und junge Erwachsene gegen die COVID-19-Vorschriften der Stadt St.Gallen auf. Die mit der gesundheitlichen Lage verbundenen Massnahmen führten zu monatelangen Einschränkungen und bildeten dadurch die Hauptursache des Unmutes. Anfänglich friedliche Zusammenkünfte von jungen Menschen im öffentlichen Raum führten in den Folgetagen zu Gewaltexzessen in der Stadt St.Gallen. An diversen Abenden wurde die Stadt St.Gallen vom gewaltausübenden Mob buchstäblich aus den Angeln gerissen und in ihren Grundfesten erschüttert. Zuvor gab es Gewaltaufrufe in den öffentlichen Sozialen Medien sowie über private Kanäle. Die Medien berichteten ausführlich über das Ausmass an Sachbeschädigungen sowie über die Gewalt gegen die im Einsatz stehenden Polizist/-innen. Die Stadt St.Gallen stellte temporär einen Schmelztiegel von Gewaltexzessen dar, der junge Menschen aus der ganzen Schweiz anzog. Die friedenstörenden Menschengruppierungen versammelten sich vor allem auf dem Roten Platz, auch Stadt-Lounge genannt, sowie im Bereich des Bahnhofplatzes St.Gallen und auf den zu- und wegführenden Strassenzügen. Weitere Gewaltausbrüche konnten in der Innenstadt festgestellt werden.

Vor einer besonderen Herausforderung standen in diesem Kontext die Kantonspolizei St.Gallen sowie die Stadtpolizei St.Gallen. Sie waren mit ihren Einsatzkräften an den kritischen Abenden ressourcenintensiv gebunden und leisteten im Nachgang die Ermittlungsarbeit. An den genannten Abenden galt es grundsätzlich, die Gewaltanwendungen gegen Menschen und Sachbeschädigungen an Bauten sowie Einrichtungen zu verhindern. Begangene Taten (unter anderem Sachbeschädigung, Gewalt- und Drohung gegen Behörden und Beamte, Landfriedensbruch) und die damit verbundenen Handlungen von Täter/-innen und Tätergruppen mussten in der Folge zugeordnet und die Identitäten der Täter/-innen für die Strafverfolgung ermittelt werden. Neben den personalintensiven Einsätzen an den Krawallnächten belasteten die zusätzlichen Arbeitsstunden nach den Ereignissen die Ermittlungsteams beider Organisationen intensiv. In den Folgewochen und Monaten waren die Ermittler/-innen auf die Arbeit fokussiert, gesichertes Videomaterial akribisch auszuwerten und entsprechende umfassende Dossiers für die kriminalpolizeiliche Weiterbearbeitung zu erstellen. Das taten sie zusätzlich zum fortlaufenden Tagesgeschäft.

Nach erfolgten Videoauswertungen durch die Stadtpolizei St.Gallen in Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei St.Gallen wurden die Dossiers der Stadtorganisation-Ermittlung (SO-Ermittlung) weitergeleitet. Die SO-Ermittlung ist zuständig für kriminalpolizeiliche Ermittlungen auf Stadtgebiet und gehört der Kantonspolizei St.Gallen an. Im Vordergrund stand in den drei Folgemonaten die Ermittlung der Täterschaften im Auftrag der Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen weiterzuführen. Diese Arbeit betraf die Sichtung und Analyse der Dossiers sowie die Einvernahmen mit beschuldigten Personen vorzubereiten und durchzuführen. Die abgeschlossenen 73 Dossiers wurden nach erfolgter Bearbeitung der Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen für die rechtliche Würdigung übermittelt. Die Ereignisse führten vor Augen, dass die Bewältigung zum Eskalationszeitpunkt die Polizeiarbeit vor eine grosse personal- und zeitintensive Herausforderung stellte. Zudem wurde aufgezeigt, was für einen Aufwand die Täterschaftsermittlung darstellt. Diese muss nach solchen Ereignissen im Nachgang während Monaten parallel zur kriminalpolizeilichen Grundversorgung und rechtsgenügend weitergeführt werden. Die organisationsübergreifenden Stunden nach den jeweiligen Ereignissen für die Identifizierung von Täter/-innen und Tätergruppen sowie die Weiterverarbeitung der Dossiers summierten sich im Zeitfenster zwischen dem 26. März und dem 30. September 2021 auf insgesamt 2’355 Stunden.

Krawalle in der St.Galler Innenstadt; Michel Canonica / TAGBLATT


Medienmitteilung der Staatsanwaltschaft am 08.02.2022: Zahlreiche Verurteilungen im Nachgang der Osterkrawalle

Die Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen hat im Nachgang zu zwei Freitagskrawallen in der Stadt St.Gallen von Ende März und Anfang April 2021 einen Grossteil der über 100 Verfahren, welche in diesem Zusammenhang geführt wurden, abgeschlossen. In 58 Fällen erging ein Strafbefehl, zwei Verfahren wurden an das zuständige Gericht überwiesen. Die Ermittlung der Tatverdächtigen erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei St.Gallen und der Stadtpolizei St.Gallen.

Ausgangslage: Freitags-Krawalle

Ausgangspunkt für die “Osterkrawalle” in der Stadt St.Gallen war eine illegale Party von rund 100 Personen auf den Drei Weieren am Freitagabend (26.03.2021). Die Party löste sich durch die Polizeipräsenz zwar grösstenteils friedlich auf. Anschliessend versammelten sich indes über 200 Personen auf dem Roten Platz und die Stimmung wurde zunehmend aggressiv. Polizisten vor Ort wurden beschimpft sowie mit Flaschen und Steinen beworfen. Nachdem die Polizei die illegale Versammlung aufgelöst hatte, gingen kleinere Gruppierungen Polizisten an und verübten diverse Sachbeschädigungen in der Innenstadt. Ein Polizist wurde leicht verletzt und musste im Spital behandelt werden. Der Gesamtsachschaden betrug mehrere Zehntausend Franken.

In Folge Aufrufen über die sozialen Medien kam es am Karfreitagabend (02.04.2021) in der Stadt St.Gallen zu erneuten Ausschreitungen. Einsatzkräfte der Polizei wurden mit Flaschen, Steinen, Pyros und einem Molotowcocktail beworfen. Abermals kam es zu diversen Sachbeschädigungen in Höhe von mehreren Zehntausend Franken. Konkret wurden Gegenstände in Brand gesetzt, Mobiliar beschädigt und Scheiben eingeschlagen. Einsatzkräfte der Polizei und der Rettung wurden angegriffen, aber nicht verletzt. Dagegen wurden zwei Privatpersonen verletzt.

Ermittlung der Tatverdächtigen in Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei St.Gallen und der Stadtpolizei St.Gallen

Unmittelbar nach den Krawallnächten nahm die Stadtorganisation der Kantonspolizei sämtliche Anzeigen mit Sachbeschädigungen entgegen und rapportierte vorerst gegen Unbekannt an die Staatsanwaltschaft. Die Stadtpolizei wertete die Aufzeichnungen aus der städtischen Videoüberwachung aus, erstellte von den einzelnen erkennbaren Tatbeständen und Personen Dossiers und übergab diese der Kantonspolizei. Deren Ermittler führten unter Leitung der Staatsanwaltschaft die einzelnen Verfahren; in den meisten Fällen, wegen Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung, jedoch auch wegen Begleitdelikten wie z.B. Betäubungsmitteldelikten. Insgesamt rapportierte die Kantonspolizei in über 100 Fällen an die Staatsanwaltschaft.

Grossteil der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen abgeschlossen Die Staatsanwaltschaft hat mittlerweile im Zusammenhang mit den sog. “Osterkrawallen” zahlreiche Abschlussverfügungen erlassen. In 58 Strafbefehlen wurden hauptsächlich Delikte wie Sachbeschädigung, Landfriedensbruch, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Missachten polizeilicher Anordnungen abgehandelt und mit Geldstrafen sowie Bussen bestraft. Im Weiteren erliess die Staatsanwaltschaft sechs Nichtanhandnahme- und drei Einstellungsverfügungen. Zwei weitere Strafbefehle wegen Widerhandlungen gegen das Kantonale Übertretungsstrafgesetz (Missachten einer polizeilichen Anordnung und mehrfacher Verstoss gegen eine polizeiliche Fernhaltung) wurden zufolge Einsprache an das zuständige Gericht überwiesen. In über 40 Fällen wurde das Verfahren zufolge unbekannter Täterschaft sistiert. Sieben Verfahren sind noch pendent. Unter allen Personen, die zur Anzeige gebracht wurden, befanden sich 31 Minderjährige, welche sich vor der Jugendanwaltschaft zu verantworten hatten bzw. haben.