Ermittlung mit Upload-Portal

Die Menschenmenge sprengt auseinander. Tumult entsteht. Ein Unglück, ein Attentat, ein Naturereignis? Unmittelbar nach dem ersten Schrecken greifen Menschen zum Handy.

Im Jahre 2020 besassen rund 95 Prozent der Schweizer/-innen ein Smartphone. Praktisch alle Menschen tragen ihr Mobiltelefon ständig bei sich – die zunehmende Digitalisierung setzt dies voraus. Grundbedürfnisse können teilweise nicht mehr gedeckt werden, wenn das Smartphone nicht ständig mitgeführt wird. Zahlungs-, Navigations- oder in den letzten Jahren auch Covid-Apps sind nur wenige Beispiele für die Notwendigkeit der Geräte im Alltag.

Wie reagieren Menschen in lebensbedrohlichen Situationen? Greifen sie auch dann zu ihrem ständigen Begleiter, dem Smartphone? Jedes Individuum verhält sich in solchen Situationen unterschiedlich. Intuitiv greifen jedoch viele Betroffene in solchen Situationen zu ihren Mobiltelefonen. Einerseits, um die Rettungsdienste und die Polizei zu informieren, aber auch, um die Situation vor Ort mit Bild und Ton festzuhalten. Im Zusammenhang mit verschiedenen Delikten wurde die Erfahrung gemacht, dass im nahen Tatumfeld dutzende Personen eine Tat filmten oder fotografierten. Bei diesen Aufnahmen handelt es sich um wichtige Dokumentationen für die spätere Sachverhaltsklärung durch die Untersuchungsbehörden. Aufgrund dieser Erfahrungen ruft die Kantonspolizei St.Gallen bei grösseren Ereignissen die Bevölkerung dazu auf, erstellte Film- und Bildsequenzen auf dem offiziellen Upload-Portal der Polizei zur Verfügung zu stellen. Dabei bereitet sich die Kantonspolizei jeweils auf einen grossen Rücklauf von Daten vor. Die Datenmenge und Datenqualität hängt davon ab, wo sich die Tat ereignete. Ereignisse mit längerer Tathandlung, an stark frequentierten Orten und guten Lichtverhältnissen werden öfter in Film- und Bildaufnahmen festgehalten als kurze Handlungen in dunkeln Ecken. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass nach einem Zeugenaufruf zwischen 2 – 40 Rückmeldungen in Form eines Uploads auf dem Link der Strafverfolgungsbehörde zur Verfügung gestellt werden. Die übermittelten Aufnahmen werden durch Ermittlerinnen und Ermittler gesichert und triagiert. Bevor das Beweismittel (Bild oder Film) seinen Weg zum Staatsanwalt oder zur Staatsanwältin findet, müssen die Daten gesichtet, eingeschätzt und technisch gesichert werden.

Die gesicherten Bilder werden durch die Staatsanwaltschaft als Beweismittel beschlagnahmt, um den Gerichten den Sachverhalt möglichst wahrheitsgetreu vorzutragen. Parallel zur Sicherung von Bildmaterial werden jene Personen befragt, welche die Bilder und Filme aufgenommen haben. Der Sachverhalt soll so ausserhalb der Aufzeichnungen als Verfahrensprotokoll festgehalten werden. Bei einer flüchtenden Täterschaft wird das Bildmaterial zudem für Fahndungszwecke genutzt. Dies soll helfen, die Täterschaft zu identifizieren und somit Folgedelikte zu verhindern.

Der Aufwand für dieses Beweismittel ist hoch. Bei relevanten Tathandlungen in einer Film- bzw. Bilddatei rechnen wir mit einem Untersuchungsaufwand von mindestens einem halben Tag. Dieser Aufwand lässt sich nur bei Gewaltverbrechen rechtfertigen. Aufwand und Ertrag bestätigen sich bei der Aufklärungsquote, diese lag im Jahr 2021 bei 100% bei den Tötungsdelikten. Insgesamt haben Schwere Gewaltdelikte (Tötungsdelikte, schwere Körperverletzungen, schwerer Raub und Vergewaltigungen) stetig zugenommen, im Jahre 2019 um 68%. Im Jahre 2020 stieg der Wert erneut um 12%.

Die Ursachen dieser Tendenz sind vielschichtig. Im Zusammenhang mit der Klärung der Sachverhalte ist es jedoch äusserst wichtig, dass auf das neue Instrument, das Upload-Portal, zugegriffen werden kann. Mit dessen Hilfe können Ereignisse wahrheitsgetreu dargestellt und aufbereitet werden. Diese Untersuchungen bieten den Gerichten eine ideale Ausgangslage für faire Prozesse.